Neues aus Gheorgheni und Reisebericht vom März 2014

Allgemeine Situation: SCHWEBEZUSTAND

Am 20.März 2014 bekam ich folgende hochdramatische Nachricht aus Gheorgheni über facebook
“Tomorrow he [ der Bürgermeister ] wants us out of the room we are in, because they will make a proper treatment room with very modern instruments and so on. I told him that we need the other rooms and he promised that. Then he said that he also needed the shelter and that he wants us out. He also said that they would want me as a supervisor of everything that is going in their shelter because I am more experienced and I know what to do with the dogs and I would be paid for that. They would also like Levente to cooperate. The only thing I have to do is to break relationship with you. I told him that I cannot do such a thing, that I am loyal to you because you helped when nobody did. This is a matter of honour and trust and I would never break it. That is when he told me that in that case we have to leave in a month …”

Heute ist Dienstag, der 29. April und was ist bisher geschehen: Nicht viel. Der untere Raum im Haus wird derzeit tatsächlich renoviert, aber im Tierheim selbst geht alles seinen gewohnten Gang. Die Männer benutzen nun einen der oberen Räume. Sie arrangieren sich irgendwie. Das “Drama” wird zum Alltag, man schimpft, flucht und fragt sich dann schulterzuckend: Ce sa face? – Was kann man machen?
Ob ich mich jemals daran gewöhnen werde? Wir in Deutschland haben natürlich sofort angeboten zu helfen, sei es einen Bauwagen oder Container zu finanzieren, in dem Futter gelagert werden kann, oder in dem die Männer sich aufhalten können. Wir haben Pläne gemacht, sie müssten nur noch umgesetzt werden …. aber nichts passiert.
Wir befinden uns in einem Schwebezustand. Anders kann ich das nicht beschreiben.

Doch parallel dazu gibt es erste Annäherungen, denn der rumänische Tierarzt, der für die städtische Straßenhundeverwaltung verantwortlich ist, möchte mit uns kooperieren. Das provisorische Tierheim des Bürgermeisters ist hoffnungslos überfüllt, und er hofft darauf, dass einige der Hunde zu uns ziehen dürfen.
Immerhin hat unser öffentlicher Aufschrei dazu geführt, dass es wohl keine Tötungen mehr in Gheorgheni gibt, auch nicht nach den ursprünglich geplanten 14 Tagen! Das ist doch schon ein Erfolg.

Wenn wir nun auch noch erreichen können, dass wir für unser Gelände einen Pachtvertrag oder eine Kauf-Option bekommen, könnten wir endlich an die Zukunft denken, und auf dem Gelände Geld investieren, um das Tierauffanglager zu einem TierHEIM zu machen. Dann endlich könnten wir unsere Energie wieder ganz auf das Wesenliche konzentrieren!

BESUCH IN GHEORGHENI 28.2. – 4.3. 2014

1. Kastra-Tag 1.3. 2014

Schon im Januar hatten wir eine kleine Aktion über die Karnevalstage geplant: “Tierheim statt Pappnase”
Ankunft in Gheorgheni um 22 Uhr am Freitag, den 28.2.2014 am späten Abend.
Gleich am Samstag morgen um 9 Uhr kam Lehel Székely, unser Tierarzt aus Gheorgheni für einen Kastrationstag ins Tierheim.


Die kleine Kastrationsaktion war sehr erfolgreich : 17 Hunde die keinen Nachwuchs mehr produzieren können!
Einer älteren Hündin “Black Beauty” wurden Gesäuge-Tumoren entfernt, auch sie hat jetzt keine Schmerzen mehr: Sie ist eine ganz liebe freundliche Hündin, der ich von ganzem Herzen wünsche, dass sie noch ein Plätzchen bei lieben Mensc hen findet, denn ich bin sicher, dass sie sich das wünscht.

Das war eine erfolgreiche Aktion und wir haben beschlossen, mindestens 1 mal im Monat einen solchen Kastra-Tag durchzuführen. Das ist relativ kostengünstig und sehr effektiv, denn so können zeitnah Neuankömmlinge oder kranke Hunde direkt bei uns behandelt und kastriert werden! Hunde von Privatleuten sind natürlich auch willkommen, die Behandlungskosten werden von uns übernommen: Eine Kastra kosten 100 Lei, trächtige Hündinnen 120 Lei, da der Aufwand sehr viel höher ist. (100 Lei sind 22,50 €)

Waldwelpen, genannt “die vier Waldis”
Abends bekamen wir einen Anruf von Waldspaziergängern, dass dort jemand vier Welpen ausgesetzt habe. Barbara und Agota sind direkt hin gefahren und haben die kleinen Welpen mitgebracht. Sie sahen eigentlich ganz proper aus, waren mindestens 8 Wochen alt. Soll ich mich jetzt darüber freuen, dass sie erst in diesem Alter ausdgesetzt wurden, anstatt – wie es so oft geschieht – im Alter von 4 bis 6 Wochen von der Mutter getrennt und sich selbst überlassen wurden. Man wird sehr bescheiden. Sie bekamen bei uns ihre Erstversorgung: Entflohen und Entwurmen, zwei Tage später wurden sie geimpft gegen die Welpen-Parvovirose, den Todfeind zahlreicher Welpen.

Die Waldwelpen 3 Tage später, 2 Jungs, 2 Mädels.
inzwischen haben sie individuelle Namen, wieder mal mit L, weil zwei junge Damen (12 Jahre alt) sich in die kleine schwarze Hündin mit der weissen Nase verliebt haben und ihre Taufpatenschaft bezahlt haben. Danke an Maria und Luise.
So heissen sie denn von links nach rechts: Lucy, Lotte, Lewis, Leeroy

Somit hüpften am 1. März genau 22 Welpen im Tierheim rum. Eins davon war sehr schwach. Wir haben Homöopathie mitgebracht und versorgten das Kleinteilchen (Moritz) damit und fütterten es mit Vitaminen.

Moritz, eins von 6 Wuschelwelpchen, vermutlich aus einem Wurf. Moritz war sehr krank, sein kleines Lerben hing am seidenen Faden. Ein Geschwisterchen ist gestorben, aber Moritz konnten wir retten. Dahinter seine Schwester Lilly

Insgesamt waren zu der Zeit 191 Hunde im Tierheim.

Dieses Mal möchte ich auch unsere Mitarbeiter vorstellen, die seit dem Winter unsere Hunde versorgen

v.l.n.r. Kozma, Jozsef – Barabas, Lazlo – und Kémenes, Levente. Hier ist es üblich erst die Nachnamen und dann die Vornamen zu schreiben. Man redet sich aber mit Vornamen an. Das kleine Puschelchen in der Mitte ist Moritz, dem es da schon besser ging und der sich gerne von den Männern verwöhnen ließ. Sie freuen sich gerade sehr über die funkelnagelneuen originalen Schweizer Taschenmesser, die von einer Facebook-Gruppe für sie gekauft, und von mir mitgebracht wurden.

Im Herbst und Winter wurden die Löhne der Männer noch aus dem Geldtopf vom Bürgermeister von Gheorgheni bezahlt. Nun da der Bürgermeidster unsere Arbeit nicht mehr “benötigt”, da ja eine Tierärztegruppe aus der Schweiz das Hundeproblem für ihn lösen will, müssen wir sehen, wie wir die Löhne selber bezahlen. Das wird ein ziemlicher Brocken, aber ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen. Die drei sind ein gutes Team, den Hunden geht’s gut, sie sind sauber und satt und jeder Hund bekommt täglich mehrfach Streicheleinheiten, sofern er sich nicht gerade versteckt.

Lazlo und Jószef sind eine große Hilfe für Levente. Sie bekommen als Lohn an den Wochentagen 5 Lei die Stunde (1,12 €) und Samstags/Sonntags 10 Lei (2,25 €). Sie arbeiten jeden Tag ca. 4 Stunden, das macht zusammen für beide Männer bei durchschnittlich 4 Wochen/Monat 1.440 Lei / 322 €. Levente bekommt 1.000 Lei / 223 €.

Das ist lächerlich wenig auch in Rumänien. Auch wenn Miete und viele Dinge dort billiger sind, es reicht vorne und hinten nicht aus. 5 Lei die Stunde sind in Rumänien ein üblicher Hilfsarbeiterlohn, doch die 1000 Lei für Levente, der ja viel mehr arbeitet und die ganze Verantwortung trägt, sind pure (Selbst-)Ausbeutung. Klar, wenn wir da sind, gibt es immer ein paar Euros extra, meist für kleinere Zusatzarbeiten, wie Zäune ziehen, also Aufgaben, die nicht in das Tagegeschäft passen. Doch generell ist das Gehalt für Levente zu niedrig, und wir würden es gerne um 55 Euros pro Monat erhöhen, dann kostet uns das alles zusammen runde 600 €.

Ab März übernimmt die Initiative Karpatenstreuner diese Ausgabe. Im März habe ich 500 Bar gezahlt, jetzt für April habe ich 600 überwiesen. Schon seit eineinhalb Jahren haben wir eine treue Spenderin, die monatlich 250 € für Levente überweist, da wir schon einmal zwischenzeitlich Geld für Löhne überweisen mussten, als der Bürgermeister nichts gezahlt hat. Das Geld der letzten Monate haben wir gespart, damit kommen wir ein paar Monate gut hin, aber dann …

Lazlo und Levente bei der Fütterung der Hunde – jeden Tag, bei jedem Wetter

Ressourcen für Straßenhunde

Solange es diese Ressourcen wie offen herumliegendes Futter und halbverrottete Schuppen, Garagen und andere Schluplöcher noch gibt, finden Straßenhunde immer eine Überlebensmöglichkeit.

Das ist unsere Lucky, eine Freigägerin, die am Tierheim lebt, von uns mit gefüttert wird, aber aus alter Gewohnheit immer noch in den Müllcontainern nach Fressbarem sucht. Lucky ist sehr menschenfreundlich und schon seit 2012 kastriert.

Diese offenen Müllcontainer, die jetzt als Müllzwischenlager direkt neben dem Tierheim stehen, ziehen natürlich die Straßenhunde magisch an. Wenn Lucky dort ist, macht sie Rabatz, wenn sich andere Hunde ihrem Müll nähern. Doch sie kann nicht immer da sein.
Dann kommen die anderen.

Hier eine läufige Hündin und ein Rüde aud der Zufahrt zu den Containern, es war nicht möglich ihnen näher zu kommen
Noch ein Verehrer

Wenn man sich nähert, verschwinden sie in eines ihrer unzähligen Schlupflöcher in den alten Stadtrand-Siedlung.

Nicht weit von Gheorgheni entferntwusste Agota von einer ganz zauberhaften kleinen Hündin, namens Pillangó, die vor einigen Jahren im Tierheim war, kastriert und vermittelt wurde, und jetzt völlig vernachlässigt neben einem Restaurant an der Kette lebte. Wir konnten sie mit dem Einverständnis des Besitzers mitnehmen, denn er hatte keine Vwerwendung mehr für sie. Sie ist so ein zartes, freundliches und liebebedürftiges Wesen, dass man sich wundert, wie sie diese Behandlung überleben konnte. Inzwischen hat sie ihre Familie gefunden, wo sie eine kleine Prinzessin sein darf.


Inzwischen hat sie ein schönes neues Zuhause gefunden.

Hunde, die von Welpenbeinen an in ein und demselben Zwinger aufwachsen und leben,
leiden sehr häufig an psychischer Deprivation.

Am Abschlusstag haben wir es endlich endlich geschafft, dass die vier großen Rüden der Mokan-Gang in einen Aussenzwinger ziehen konnten, den wir freigemacht hatten, nachdem mehrere Hunde aufgrund von Vermittlungen das Tierheim verlassen konnten. Nie im Leben hätte ich mir vorstellen können, wie sehr diese Tiere sich vor der Freiheit fürchteten. Mokan, den großen Chef der Gruppe mussten wir in einer ungeheuer aufwändigen Aktion mit einer Fangstange in eine Hundebox in seinem Zwinger treiben und dann mit einer Schubkarre in sein neues Domizil transportieren. Aus Angst hat er wild um sich gebissen. Mir war schon zuvor aufgefallen, dass er den direkten Kontakt mit Menschen immer vermieden hatte.
Aber was da zutage kam, war schon sehr heftig. Ich hoffe nun, den schönen Rüden geht es jetzt im Freiluftgehege allmählich besser. Schon als Welpen waren sie in diesen kleinen Zwinger gekommen, sind dort groß geworden und haben nie einen anderen Ort kennengelernt.

Ein ähnliches Phänomen haben wir bei den drei “Dingos” Zoro, Zuki und Zwack erlebt: Kommt man an den Zaun, sind sie ganz wild darauf, gekrault zu werden, strecken ihre Pfoten nach draussen, um einen Menschen zu berühren. Auch wenn man in den Zwinger kommt, geht es noch einigermaßen. Mir war aufgefallen, dass ich sie noch nie im Freilauf gesehen habe, obwohl sie jeden Morgen dazu Gelegenheit hätten. Doch auch sie sind seit Welpenzeit in dem Zwinger und fürchten sich, ihn zu verlassen. Der Versuch, sie auf die Schnelle einzufangen ist kläglich gescheitert, sie verschwanden in der Hütte und fingen an panisch zu werden. So haben wir es einfach sein lassen, sie brauchen noch Zeit um “gezähmt” zu werden.

Für mich mal wieder ein Beweis, dass man manchmal enorm kämpfen muss, um einem Hund mit Deprivationssyndrom das schöne Leben zu zeigen. Wenn es denn überhaupt gelingt. Wir müssen in Zukunft einfach aufpassen, dass so etwas nicht passiert und die Hunde nicht jahrelang in einem Zwinger vor sich hinleben. Unsere Freilaufzonen sind ja schon ein guter erster Ansatz. Einen interessanten Artikel dazu findet man hier unter angsthund.de.

Am letzten Abend haben wir auch dem städtischen Tierheim nebenan einen Besuch abgestattet. Es war definitiv kein schöner Besuch, mehr will ich zur Zeit davon nicht erzählen und auch keine Bilder / Videos zeigen.
Wir haben drei Hunde “adoptieren” können und haben sie in unser Tierheim gebracht: Branko, Jolie, und Felix. Letzterem hat sein Name leider kein Glück gebracht, er starb wenige Tage danach an seinen Verletzungen.