Reisebericht der großen Herbstaktion mit Kastrationstagen

Samstag, 19. Oktober 2013

Noch unter dem schockierenden Eindruck des gestrigen Gesprächs mit dem Bürgermeister, haben wir heute morgen in der Nähe des Einkaufszentrum kurzerhand einen kleinen alleine herum irrenden Welpen eingefangen. Es war ganz leicht, denn die Kleine suchte Anschluss und ließ sich leicht einfangen. Gut gesichert und gestreichelt zwischen Sabine und Werner brachten wir sie auf der Rückbank des Autos ins Tierheim: RONJA ist ca. vier Monate jung.

Zwecks Quarantäne bleibt sie erst einmal im Haus, wo sie wahrscheinlich zum ersten Mal im Leben ein weiches Körbchen genießt. Trotzdem frage ich mich, woher sie kommt, sie ist so zahm und lieb. Vielleicht gehörte sie zu einem Kind und ist weggelaufen. Ein bisschen dünn ist sie schon, aber wenn jemand sie vermisst …

Gut, dann kann er oder sie ja kastriert zurückbekommen, denn wenn einem an seinem Hund etwas liegt, dann sollte man sich ja auch die Mühe machen, mal im Tierheim nachzufragen. Finde ich.

Was ist eigentlich aus den “Sommerwelpen” geworden? Zu erkennen am Namensbeginn mit dem Buchstaben “L”

Die zarte und etwas schüchterne Layla;

Leon, ein kräftiger, selbstbewusster und aufgeschlossener Jungrüde;

die kleine zarte Lilifee, die mich mit der Kamera vor dem Gesicht ausgesprochen gruselig findet;

die wunderschöne Lizzy, Menschen gegenüber ist sie erst ein bisschen zurückhaltend, aber dann taut sie bald auf;

Lorelei, die noch nicht genau weiss, was sie will, ein bisschen wild, ein bisschen ängstlich, aber bei Bedarf auch wehrhaft;

der Lorenz, ob er wirklich so lieb ist wie er hier aussieht? ich glaube schon;

die Lorna, klein und zart und etwas schüchtern Menschen gegenüber.

und die wunderschöne Lovely, ziemlich mutig und selbstbewusst, wenn ihr etwas suspekt erscheint, dann wird dieses Etwas angeknurrt.

Die winzige Libbie war schon im Juni gestorben und der kleine Lütti im August. Lorna, Lilifee und Layla haben wir noch im Zwinger gelassen, die anderen L-Welpen konnten in den Junghundefreilauf entlassen werden. 
Dann waren da noch der Mick mit dem zerrupften Nackenfell. Ihm geht’s prima, eine Wulst wird als Narbe zurückbleiben, aber da ist längst Fell drüber gewachsen. Und der Mick hat auch schon ein Zuhause, denn Sabine hat sich Hals über Kopf in den kleinen frechen Kerl verliebt. 
MacIntosh, der ernste Welpe, der Welpen doof fand, ist ein toller Jungrüde geworden. Er geht im Freilauf der großen Hunde immer noch seiner eigenen Wege, spielt eher selten mit anderen Hunden und mag nicht wirklich eingefangen werden. Doch wenn man ihn sich dann doch schnappen muss, z.B., um ihn zu impfen, chippen und kastrieren, dann lässt er es ohne Gegenwehr zu und findet kraulen sogar toll. Ich mag ihn sehr, und habe ihn mir einfach gepackt, neben mich gelegt und eine Stunde lang gestreichelt. Schön fand er es und wurde immer weicher und entspannter, bis er fast eingeschlafen war. Ein sehr netter Kerl mit Eigensinn.

Dann waren noch die 5 Welpen von Kicsi Mama, der kleinen Chi-Dackelhündin. Zwei sind gestorben, eins wurde in Gheorgheni adoptiert und zwei sind noch da: Karl, ein freches, selbstbewusstes Kerlchen, das seiner Mutter im doppelten Sinne über den Kopf gewachsen ist, und Karla, eine kleine ebenfalls recht selbstbewusste Hündin. Kicsi Mama selber fürchtet sich vor allem und jedem und ist sehr unglücklich in ihrem Zwinger.

Karla

Wir haben auch ein paar neue Youngsters
Es ist ein weiterer Schreihals angekommen: Fast könnte es ein Schwesterchen von Mick sein. Schreien, zetern, wimmern, kläffen, weinen, randalieren … bis man sie auf den Arm nimmt, die MAUSI. Sabine hat sie so genannt. Sie kann durchaus vier Monate alt sein, oder auch erst drei. Noch hat der Zahnwechsel nicht begonnen. Winzig, aber ungeheuer energisch.

Mausi auf Sabines Arm. Da ist sie ruhig und ganz lieb.

und ganz klein noch die zauberhafte Georgina.

Zwar kein Welpe mehr, aber noch ganz jung (1,5 Jahre etwa) ist der kleine winzige Bingo!

Ein aufgewecktes Kerlchen, dass sich inmitten der Freilaufhunde benimmt, als sei er sehr groß. Er ist freundlich, mag Menschen und spielt am liebsten die erste Geige. Nur leider ist er sehr krank, vermutlich mit mehreren Brüchen im Becken. Wahrscheinlich wurde er von einem Auto angefahren oder sehr schwer misshandelt. Durch die Verschiebung des Beckens ist sein Darmausgang irgendwie behindert. Er kann nur unter großen Schwierigkeiten Kot absetzen und schreit oft dabei. Er muss dringend behandelt werden. Am Montag soll Razvan gleich nach ihm sehen.
Er hat Glück, dass er hier gelandet ist: der kleine Bingo!

Auch kein Welpe, aber eine junge Straßenhündin, die schon im April von uns kastriert worden ist, sitzt in einem Zwinger und schreit, weil sie von den anderen Hunden arg bedrängt wird. Besonders der junge Rüde Bundas reitet permanent auf, und sie ist so zart und kann sich nicht wehren. Noch eine Liebesaffäre: Barbara ist hin und weg und befreit IHRE TOSCA. Legt ihr ein Halsband um, nimmt sie an die Leine, und die Hündin macht das so perfekt, als hätte sie im Leben nichts anderes erlebt. Seither darf sie uns begleiten und in Barbaras Nähe bleiben. Tosca ist eines jener zarten Wesen, die nichts anderes wollen, als bei ihrem Menschen zu sein.

Wie durch ein Wunder wurde gestern nachmittag eine große Menge gut abgelagertes Holz geliefert. Vierkanthölzer als Pfosten und Bretter, um die Seitenwände zu bauen. Jetzt können Attila und Werner endlich anfangen, Hundehütten zu bauen.

Heute ist noch alles ruhig, die Herbstsonne wärmt uns, wir lassen es langsam angehen und genießen die Hunde.
Ab Montag werden wir dafür nur noch wenig Zeit haben, denn so eine Kastra-Aktion ist mit sehr viel Stress und Arbeit verbunden.

Am Nachmittag ist das Licht traumhaft schön, wir lassen alle möglichen Hunde frei, und versuchen es sogar mit der Kalli-Krawalli-Gang: Kong, Kodi und Kalli. 
Als vier kleine Welpen kamen sie 2010 in ihren Zwinger, man konnte und kann sie nicht wirklich anfassen oder gar streicheln. Sie sind auch untereinander nicht besonders freundlich. Kong ist Chef, Kodi zweiter Chef und Kalli ist der Fußabtreter für beide. Nur Schwesterchen Vadolö lebt seit einiger Zeit im Freilauf, sie ist freundlich und sanft, aber anfassen geht nicht. Nun, sie lebt dort recht zufrieden, haut schon mal durch den Zaun ab, kommt aber immer wieder, das Tierheim ist ihr Zuhause. 
Schon oft habe ich über die Krawallis nachgedacht und geschrieben: Sie haben eigentlich kein artgerechtes Leben, tagein, tagaus im Zwinger, sie kläffen alles und jeden an, auch die Hunde. Sie streiten sich, kloppen sich ums eigentlich reichliche Futter, nur um zu zeigen, wer was zu sagen hat. Ágota und Levente sind auch ratlos, sogar der Gedanke, sie einschläfern zu lassen, war uns schon gekommen. Aber das ist doch auch nicht wirklicher Tierschutz. Im Sommer ist es mir gelungen, Kong, den Boss, wenigstens mal durch das Gitter an der Schnauze zu kraulen, jetzt kommt er eigentlich freudig ans Gitter gesprungen, wenn er einen sieht. Doch weiter geht es nicht mit ihm. Einfach Freilassen auf die Straße ist ja nun auch unmöglich geworden, ein Gedanke, den ich mehrfach geäußert hatte. Das wollte Levente aber nicht, denn dann könnten überfahren oder abgeschossen werden.

Wir beschließen, die Zwingertür zu öffnen um mal zu sehen, was passiert. Es sind genug Menschen hier, die dazwischen gehen könnten, falls es eine Keilerei geben sollte.

v.l.n.r. Kalli, Kong, Kodi
Kalli Krawalli ist erstaunlicher Weise der Mutigste

Um es vorweg zu nehmen: Am Tag darauf haben wir es noch einmal versucht, aber Kong und Kodi haben sich leider sehr schlecht benommen und mit den anderen Hunden herumgestänkert. Das geht gar nicht. Uns fehlte dann die Zeit für weitere Experimente. So ist es leider, wenn man nicht täglich dort ist. Mit viel mehr Zeit hätte man versuchen können, wenigstens den Kalli frei laufen zu lassen. Doch es sind ja auch noch 170 weitere Hunde da, die Aufmerksamkeit brauchen.

Zum Beispiel der wunderschöne Tappancs, der mehr und mehr depressiv wird. ABER ich konnte ihm etwas wunderbares ins Öhrchen flüstern: nämlich, dass eine tolle Familie auf ihn wartet!

Auch Bella braucht ihre Streicheleinheiten

ebenso der lustig-freundliche etwas ältere Old Man Jamal

Und was für mich ein besonderer Lohn der Geduld ist: Wasja lässt sich anfassen, und findet es sogar SCHÖN. Wie lange habe ich mir das gewünscht! Er kommt immer wieder und will mehr davon, jetzt wo er sich traut.

Und was der Wasja kann, kann sie doch auch  …   denkt Donda sich …. und versucht es einfach mal …

Vorsichtig anzeigend, dass man nichts Böses im Sinn hat …

… dann immer mutiger …

….. und hinterher stolz wie Oscar!

Leider immer noch unnahbar, aber schon ziemlich neugierig ist der schöne stolze und selbstbewusste Athos. Aramis, sein Bruder traut sich überhaupt noch nicht.

Christopher ist ein wunderschöner junger Rüde geworden, mit seidenweichem Pelzchen, sehr lieb und anschmiegsam wenn er einem vertraut.

Später öffnen wir noch den Zwinger von Bogyan, Alma-Sen und den anderen, auch sie dürfen mal frei laufen und Spaß haben. Nach einer Stunde gehen sie freiwillig wieder in ihren Zwinger zurück.

Während Attila und Werner Hütten bauen, Sabine, Barbara und Agota Hunde beknuddeln, ich – wie fast immer – knipse, bereitet Levente das Holz für die Kastra-Aktion vor. Auch wenn es noch angenehm warm ist, solange die Sonne scheint, morgens, abends und nachts ist es schon lausig kalt, und der OP-Raum muss kuschelig warm sein.

Gegen abend werden die Hunde noch einmal richtig munter und toben und spielen ausgelassen über das Gelände. Sie haben hier im Tierheim ein besseres Leben als viele Hunde in Rumänien. Darauf sind wir auch ein bisschen stolz.
(Obwohl es immer noch viel zu viele Hunde in engen Zwingern gibt)

Sonntag, 20. Oktober 2013

Alle sind verliebt: Werner hat die Effi (und noch ein paar andere inzwischen), Sabine hat Mick und Mausi, Barbara ihre Tosca, nur ich habe noch niemanden?

DOCH: den da: Jason, er ist ein richtiger: “darf-ich-bitte-dein Hund-sein?” – Rüde. Ganz mein Typ. Ganz zauberhaft und irgendwie unglaublich:

Heute morgen sah ich ihn im Gewerbegebiet neben dem Hotel herumlaufen, er sah mich, ich pfiff, ging in die Hocke und er kam völlig zutraulich angelaufen: Da bin ich, was machen wir jetzt?. Ich war total verblüfft und erwartete jederzeit den zu ihm gehörenden Menschen. Aber niemand kam. Unkastriert war er auch. Halsband und Leine fand er mehr als gruselig, etwas dünn war, aber sonst ging’s ihm gut. Vielleicht war er stiften gegangen , aber niemand schien ihn zu vermissen. Ab ins Auto, kein Problem. Mitnehmen, ins Tierheim, auch kein Problem. Haus ist gruselig. Leider musste er in einen Zwinger, denn frei konnten wir ihn nicht lassen, bevor er kastriert ist.

Den Morgen und Mittag verbringen Sabine und ich hauptsächlich damit, den Raum für die Kastras vorzubereiten. Das Gheorgheni-Team hat schon vorgearbeitet, etlichen alten Krempel entsorgt und Attila hat den Raum weiss angestrichen. Trotzdem frage ich mich, warum wir hier immer noch stundenlang Müll entsorgen, weiteren Platz schaffen und sonstwas alles machen müssen. Ágota hat grad keine Zeit, Levente knatscht, weil wir seine gewohnte “Chaos-Ordnungs” durcheinanderwirbeln. Aber das Kastra-Team braucht viel Platz, denn die Hunde können zum Aufwachen nicht nach draussen. Und dies ist der einzige heizbare Raum. Hier werden die Käfige aufgestellt. Leise vor mich hin fluchend füge ich mich in das Unvermeidliche.

Mitten in diese “Beschäftigung” platzt am Nachmittag Levente, ich müsse unbedingt kommen. Nichts Gutes ahnend laufe ich zum Shelter und da sitzt der arme Jason und hat sein linkes Hinterbein seltsam verdreht und verklemmt im Zaun zum Nachbarzwinger. Von rechts kläffen ihn die Hunde in “seinem” Zwinger an, von links hinterm Zaun zerrt der wildgewordenen Mob aus dem anderen Zwinger. Der arme Kerl schreit vor Angst und Schmerzen. Mit einer kräftigen Drahtschere wird ein Stück Gitterzaun rund um das Bein herausgeschnitten und Jason ist wieder frei. 
Er tut mir so leid, dieser nette freundliche Hund hat mir vertraut und ist mitgekommen, und dann das! 
Wir bringen ihn ins Haus und machen eine Erstversorgung mit Reinigung der Wunde und einem einfachen Verband. Er ist sehr geduldig, obwohl das sicherlich höllisch weh tut. 

Nachmittags kommen Sophie Bauer und das Hundefängerteam Janos und Norbi aus Oradea an. Am Abend wird Razvan eintreffen und schon mal nach Jason sehen. Ab morgen wird’s anstrengend.