Montag, 17. Juni 2013
Nun habe ich schon mehr als die Hälfte meiner Zeit hier um.
Es ist viel geschehen: Wir haben nun wieder einen Vertrag mit dem Bürgermeister, bekommen für das Jahr 2013 auch wieder Geld von ihm, von dem wir dann die Löhne für Levente und Attila bezahlen können, und zwar endlich in angemessener Höhe. Denn was insbesondere Levente dort leistet ist unbezahlbar: Seit drei Jahren tagein tagaus bei jeder Witterung, auch Sonntags, keinen Tag Urlaub. Das hält auf die Dauer niemand aus … Agota selber ist eher selten im Shelter, regelt dafür aber den gesamten Papierkram, schreibt Anträge, spricht beim Bürgermeister vor, und kämpft auf dieser Ebene. Seit Februar hat er Hilfe durch Attila bekommen. Derzeit bekommen die beiden eine geringfügige finanzielle Anerkennung von uns. Als Lohn können wir das nicht bezeichnen, denn sie sind nicht bei uns angestellt. Das ist leider nicht möglich, dass wir in Deutschland jemanden anstellen, der in Rumänien lebt und arbeitet. DAs ist einfach nicht vorgesehen. Zumindest haben unsere Recherchen das so ergeben.
Durch unsere Patenschaften und weitere Spenden können wir die Futterversorgung, medizinische Versorgung und die Kastrationen bezahlen. Sodass endlich mal ein Gefühl aufkommt, dass keine materielle Not herrscht. Allerdings – es gibt immer ein “aber” – will der Bürgermeister, dass wir noch mehr Hunde von der Straße sammeln und im Tierheim aufnehmen. Das wollen wir aber nicht.
Also machen wir das Tierheim eben anders voll: Wir “möblieren” die vorhandene, gar nicht mal so kleine Fläche mit Hundehütten und unterteilen eine große Fläche in mehrere kleine. Dadurch wirkt das alles viel enger und voller, und wenn dann überall Hunde herumtoben wirkt es fast überfüllt. Wenigstens das habe ich Levente endlich klar machen können, und daher findet er sich immer mehr mit frei laufenden Hunden ab. Ganz leicht fällt ihm das nicht, heute hatte er beispielsweise Angst, den alten Razka in den Freilauf mit den wilden Junghunden zu lassen, aus Sorge die frechen Rotzlöffel würden ihn angreifen. Aber er musste einsehen, dass Razka selber ganz gut mit dem jungen Gemüse fertig werden kann. Das sind die Momente, die mir so gut tun, der alte Hund, der so lange eher griesgrämig im Zwinger herumgelegen hat, hatte richtig Spaß. Zumindest so lange ich da bin, bekommt er seinen täglichen Auslauf ….
Weniger schön war heute die zweite OP vom kleinen Mick. Diesmal war der Tierarzt Dr. Skezely da, der nur den Kopf über den bodenlosen Pfusch seines Kollegen schütteln konnte: Alle Nähte waren aufgegangen, trotz unserer Wundbehandlung (ohne Narkose) hatte sich unter den Hautfetzen Eiter gebildet und das Gewebe fing an zu faulen. Mir wurde fast übel, als ich das gesehen und gerochen habe und ich musste mal kurz die Tür nach draussen aufmachen. Aber trotzdem ist der kleine Mick hier herumgetobt, als ob nichts wäre. Ich hoffe nun, dass die zweite OP, die wesentlich professioneller wirkte, endlich hilft, dass alles wieder zuwächst.
Es gäbe noch so viel zu erzählen, wie immer schwankt man hier gefühlsmäßig von himmelhochjauchzend bis zutodebetrübt.
Oft von einer Minute auf die andere. … Manchmal frage ich mich, warum ich mir das alles antue, aber wenn mich dann “meine” Straßenhündin Dalarna voller Vertrauen anschaut und brav neben mir her läuft, dann fühlt es sich wieder richtig an.
Ach ja, die Süße habe ich am Freitag noch unter einem Auto hervorgezogen, dass sie beinahe überrollt hätte: Es hatte vor dem Haus geparkt. Während eines Regenschauers hatte sich Dalarna darunter versteckt und war nicht geflüchtet, als es startete. Ich war in der Praxis und hörte sie laut schreien, da klemmte sie schon zwischen Frontspoiler und Vorderrad, aber die Fahrerin war auch ganz verwirrt. Ich habe sie dann irgendwie da herausgedreht, denn mit einfachem Ziehen ging es schon nicht mehr. Seither beleitet mich Dalarna jeden Abend bis ins Hotel, sie darf im eingezäunten Hof übernachten, und vormittags geht sie mit mir zurück ins Tierheim. Nein, sie will keine Straßenhündin mehr sein.
Es sind die schönen Momente und Bilder, an denen man sich festhält:
das immer aufmerksame Empfangskommittee, bestehend aus Carina, Jenny, Penny und Sissi
die jetzt ständig (!) frei laufenden Junghunde, die fröhlich überall herumwuseln und zuschauen, wenn Attila eine neue Hütte baut
Anjali, die langsam ihre Scheu vor mir verliert
die Welpen, die zusammengekuschelt in ihrer Hütte die Abendsonne genießen und schlafen
Hunde, die nach einem der zur Zeit häufigen Nachmittagsgewitter die Pfützen untersuchen:
Mein Herzenshündchen Sheela, (die übrigens ganz bald ausreisen darf)
und so vieles mehr …
Dienstag, 18. Juni
Die kleine Lissie ist leider gestorben. Einfach so, sie war schon immer etwas schwach. Run free little puppy …
Wir waren heute bei Dr. Szekely mit Dandy, Danida, dem kleinen Mick und Kifli
Dandy und Danida haben beide Probleme mit den Hüften, die sehr instabil sind. Sogenannte Subluxation. Bei Dandy sind Gelenkkopf und -Pfanne zwar gut ausgebildet, doch die dazu gehörigen Sehnen, Bänder und Muskeln reichen nicht aus, dass die Teile ineinanderpassen. Das ist jetzt sicherlich nicht medizinisch exakt ausgedrückt. Dies kann die Folge von Unterernährung während der Trächtigkeit oder im Welpenalter sein. Bei Danida ist so gut wie keine Gelenkpfanne vorhanden! ( Als Gelenkpfanne bezeichnet man die konkaven Abschnitt eines Gelenks, vor allem bei Kugelgelenken. In der Gelenkpfanne bewegt sich der konvexe Gelenkkopf.) Leider scheint ein ganzer Wurf mutterloser Welpen mehr oder weniger stark davon betroffen zu sein. Laut Dr. Szekely ist das hier in Rumänien oft zu beobachten, da manche völlig unterernährte Hündinnen viel zu viele Welpen werfen und dazu eine Mangelversorgung der Babies kommt. Dandy und Danida waren mir im April aufgefallen, ebenso Effi black nose. Möglicherweise sind auch Dorié und Dylan betroffen. Danidas verdrehtes Vorderbein ist sowohl auf eine Verletzung als auch auf unzureichend ausgebildete Sehnen zurückzuführen.
Effi red nose, die inzwischen bei Monika in Essen lebt, wird im Juli daran operiert. Anschließend folgen mehrere Wochen intensiver Physiotherapie und seit einiger Zeit geben wir ihr Grünlippmuschelextrakt.
Eine solche OP / Therapie für diese Hunde ist in Rumänien nicht möglich, in Deutschland für uns leider erstmal nicht bezahlbar. Wie wir jetzt damit umgehen, weiss ich auch noch nicht. Die genannten Hunde stehen derzeit nicht zur Vermittlung, es sei denn, es findet sich ein Zuhause, welches bereit ist, sich auf dieses Problem einzulassen.
Kifli sollte wegen seiner Distichiasis operiert werden (siehe Kiflis Seite). Für den Tierarzt hier ein Routineeingriff, wie er sagt. Leider wurde er zu einem dringenden Notfall gerufen, und jetzt muss Kifli noch etwas warten.
Große Sorgen mache ich mir auch um den alten Rex. (Handyfoto)
Auf den Videos sieht man seine Probleme noch viel deutlicher.
“Ein Hund der nicht bellt, taugt nichts” und “solange er frisst, ist alles in Ordnung”.
Der deutsche Schäferhund Rex ist alt, sehr alt, er ist taub, blind, er lebt im Sommer meist unter einem alten Bauwagen in unserem Tierheim, im Winter hat er seine Hütte mit Stroh oder liegt in der Sonne. Er bellt schon lange nicht mehr, also wurde er entsorgt. Seine Bewegungen sind schwerfällig, die Hinterläufe stark eingeknickt und durchtrittig. Er lebt an der Kette. Warum genau – weiss ich nicht. Er schleift seine Kette hinter sich her durch den Dreck. ZU ihm bekannten Menschen ist er freundlich. Kommt ihm jemand – ein unbekannter Mensch oder Hund – in die Quere, knurrt er unwillig. Acht Wochen tägliche Behandlung mit Rimadyl haben nichts verbessert. Sollten wir ihn nicht einschläfern?
„Er ist einfach nur alt, er frisst gut, also hat er keine Probleme“.
Zu „gebrauchen“ ist er schon lange nicht mehr, er bekommt hier sein „Gnadenbrot“ und täglich einen freundlichen Klaps und ein paar Streicheleinheiten. Für rumänische Verhältnisse lebt er im Paradies. Er ist nicht allein, um ihn herum viele andere Hunde, ältere und junge, selbst Welpen scheinen ihn nicht zu stören, solange sie nicht aufdringlich werden.
Wir haben viele „unbrauchbare“ Hunde hier: Alte, kranke, aggressive und ängstliche.
Was ist mit den Hunden, die als Welpen ins Tierheim kamen, die schon damals wild um sich gebissen haben, und auch jetzt noch keine „Lust“ auf Menschen haben. Jetzt sind sie zwei oder drei Jahre alt hocken zu dritt tagein tagaus im Zwinger und kläffen alles und jedes an. Ist das Tierschutz? Sie werden voraussichtlich auch in 10 Jahren noch auf denselben 12,5 qm hocken. Der Versuch, sie in eine Hundegruppe zu integrieren, würde voraussetzen, dass es einen Menschen hier gäbe, der das begleitet und ständig überwacht, denn solche Hunde sind auch gegenüber Artgenossen gefährlich. Tot gebissene Hunde haben wir hier auch ohne solche Experimente.
Dann gibt es da die „Killerhunde“, die nachweislich an der Tötung anderer mehrfach beteiligt waren. Sie belegen Zwinger, sind nur schwierig mit anderen Hunden zu vergesellschaften. Zwinger, die man sinnvoller nutzen könnte, damit in anderen Bereichen des Tierheims nicht diese drangvolle Enge herrscht. Aussetzen auf die Straße macht wenig Sinn, sie kamen als Welpen, oft ohne Muttertier, sie kennen nichts und würden dort wahrscheinlich umkommen, denn das fröhlich-freie Straßenhundeleben ist eine Illusion. Wir jedoch wären das Problem erstmal los. Aber Tierschutz ist das nicht, was ist in einem solchen Fall Tierschutz? Wegsperren, mit Nahrung und Wasser versorgen? – Ich weiss es nicht.
Eine Umbelegung in einen anderen Bereich würde ich durchaus gerne versuchen, aber jede Veränderung kostet Zeit und da 2 Männer annähernd 160 Hunde zu versorgen haben, bleibt nicht viel Zeit übrig. Und wenn einer der beiden das nun schon seit über drei Jahren tagein tagaus an 7 Tagen in der Woche macht, ohne einmal Urlaub gehabt zu haben, kann ich da noch erwarten, dass er sich über zusätzliche Arbeit freut. Nein, kann ich nicht.
Mittwoch, 19. Juni 2013
Die beiden Zäune für die neuen Freilaufzonen sind jetzt fertig!!
Am vergangenen Samstag und heute haben insgesamt 7 Schüler und eine Schülerin des Goldenberg Europa Kollegs, die sich im Rahmen des Leonardo-da-Vinci Mobilitätsprogramms in Gheorgheni aufhalten, in unserem Tieheim und haben Levente geholfen ca 35 m Zaun und zwei Tore aufzubauen. Für die Schüler war die Situation etwas befremdlich im Tierheim, aber die Hunde fanden es spannend.
www.goldenberg-berufskolleg.de
Somit wird die eine große Fläche in zwei “kleinere” unterteilt, um die Welpen beim Freilauf vor den allzu rüpeligen Junghunden zu schützen. Wir können somit die zweite Fläche variabel nutzen.
Seit meiner Ankunft hier vor 2,5 Wochen können sich ca. 20 weitere Hunde ständig im Freilauf aufhalten. Viele andere haben zeitweise Auslauf. Ein zweiter Zaun wurde gesetzt, um eine weitere Freilauffläche zu erhalten, die bisher tagsüber völlig ungenutzt vor sich hin verwilderte. Da können dann einige einjährige von älteren Hunden erzogen und in ihre Schranken verwiesen werden. Die hier übliche Gruppierung nach Alter und Familienzusammengehörigkeit ist oft ungünstig. Ich hoffe, in den nächsten Tagen werden wir auch diesen Freilauf einweihen können, es fehlte nämlich noch ein Material, um den Zaun ganz fertig zu stellen. Danke an die Jungs, dass sie heute trotz des derzeit tropischen Klimas durchgehalten haben! Danke auch an Tibor Farzakas, der die Tore in seinem Betrieb in Lazarea angefertigt hat.
Ebenfalls herzlichen Dank an den Tierschutzverein IN-Tierschutz e.V. aus Ingolstadt, der das Material für den Zaunbau finanziert hat. http://www.in-tierschutz.de/
Freitag, 20. Juni 2013
Heute habe ich eine nette Mail bekommen:
Liebe Frau Weidig mir geht es sehr gut! Ich fühle mich in meiner neuen Familie XY sehr wohl. Manchmal lasse ich noch die Zicke raushängen und tue so, als verstehe ich kein Deutsch. H. sagt mir dann schon einmal die Meinung. Mein Deutsch wird dann plötzlich sehr viel besser. R. und H. sind für mich, mittlerweile schon echte Kumpel geworden. Bei Re. und S. benehme ich mich oft noch, etwas mehr als Rüpel. Aber ich bemühe mich, immer besser Deutsch zu verstehen! Damit ich auch sie besser verstehe. … In meiner neuen Heimat sind viele Wiesen, Felder und Wälder. Das Essen ist ebenfalls super, ich versuche aber trotzdem, manchmal einen Regenwurm, oder eine Maus zu jagen und zu fressen. Danke an alle, daß Sie mich gerettet haben und das ich ein tolles neues Rudel bekommen habe. Mein neues Rudel ist mit mir sehr viel in der Natur unterwegs, ich kann dann Stöcke und Bälle jagen. Ich habe auch schon super Hundefreunde gefunden und H. gebeten, Ihnen ein paar Bilder zu senden. Bis zum nächsten mal. Liebe Grüße, von Bucini
HAPPY END für Ex-Straßenhund FRUCTOS Er musste ins Tierheim, weil er angeblich angefangen hatte, auf der Straße Radfahrer zu verbellen. Sowas kommt nun mal nicht gut. Aber seine “Pflegefamilie”, die ihn immer gefüttert hatten, hat ihn so sehr vermisst. Mehrmals hat sie ihn im TH besucht, und nun beschlossen ihn zu adoptieren und mit in die Wohnung zu nehmen. Ich wünsche allen, dass es klappt. Fructos ist so ein lieber Hund.