Mittwoch, 24. April 2013
Knapp zwei Stunden Flug von Dortmund nach Cluj-Napoca und anschließend fast vier Stunden Fahrt mit einem Leihwagen auf mehr oder weniger holperigen Landstraßen durch das nächtliche Rumänien. Zeit genug, nachzudenken, oder besser gesagt – vorzudenken – auf das was mich die nächsten 4 Tage in Gheorgheni erwartet. So verrückt es ist, ich freue mich immer wieder darauf.
Wie sehen die Hunde aus? ist immer der erste Gedanke, auf einige freue ich mich ganz besonders: Igor, Orias, Djai, Tappancs, Noru, Merlin, Sunny, Icy, Neona…. ich gönne mir die Freiheit, Lieblingshunde zu haben. Wie haben sich die Welpen entwickelt: Skady und Sheela? Zwei Monate sind eine lange Zeit.
Silky ist vor rund einem Monat in ein Nachbardorf vermittelt worden – unkastriert – Ich war stinksauer, denn eigentlich finde ich, dass in Rumänien KEIN einziger unkastrierter Hund vermittelt werden sollte. Niemals. Ich habe zu wenig Vertrauen in die Einsicht der Menschen dort. Und die Anzahl der frei auf der Straße herumlaufenden, hungernden, sterbenden Welpen bestätigt mich in meiner Ansicht. Immer wieder werden Hündinnen gedeckt, Welpen geboren, nur weil die Besitzer sich nicht drum kümmern. Aber das wird noch eine lange Geschichte sein.
Von Agota weiss ich, dass es immer noch keinen Vertrag mit dem Bürgermeister für das Tierheim gibt, auch aus den ganzen Plänen (siehe Bericht vom Februar) ist noch gar nicht verwirklicht worden. Waren das alles nur Schaumgebilde, die wie Seifenblasen zerplatzten? Lediglich die Zusage, dass der Verein GATE auf dem angestammten Platz bleiben kann, ist neu aber nicht schriftlich fixiert. Geld gibt es auch nicht.
Während dieser kurzen Reise werden allerdings die Straßenhunde in Gheorgheni – die Welpenproduzenten – im Mittelpunkt stehen. Ab Samstag ist wieder mal Nina Schöllhorn vom Tierärztepool mit ihrer neuen Assistentin Jacqueline in Gheorgheni. Fünf Tage lang werden sie alles kastrieren, was wir einfangen können. Wir hoffen vor allem Hündinnen einzufangen, viele werden jetzt läufig sein, oder sogar schon tragend. Neues Leid von Straßenhunden zu verhindern ist das Ziel.
Gegen Mitternacht erreichen wir das Hotel Filó, für mich schon fast ein Zuhause, wieder habe ich mein “Stammzimmer” 108.
Donnerstag 25. April 2013
Vor gut zwei Monaten war ich zum letzten Mal hier, tiefster Winter mit Frost und Schnee, jetzt empfängt mich Gheorgheni mit sommerlichen 20 °C und Sonne. Erster Rundgang durchs Tierheim. Den Hunden geht es auf den ersten Blick recht gut, sie sind ziemlich “proper”, einige zu fett, vor allem die alten Hunde – begreift das niemand, dass das so gar nicht gut ist für die Gelenke, den Kreislauf? Das Futter scheint den Hunden jedenfalls gut zu bekommen. Allerdings haben sehr viele Hunde entzündete Augen. Der Boden ist sehr trocken, es hat in der letzten Zeit kaum geregnet, und mit jeder Bewegung wirbeln die Hunde Staub auf. Der Staub ist natürlich alles andere als sauber, wie man sich leicht vorstellen kann ….
Im Freilauf humpelt uns der immer fröhliche Noru entgegen, er scheint Schmerzen an einem Vorderbein zu haben. Auch er dürfte gerne wesentlich weniger Gewicht haben. Foltos markiert den “Gefährlichen Wachhund”, Tökmag, und Boltos freuen sich eine krumme Nase, Lio, Pettyes und Vadolö bleiben auf Distanz, Donald ist schon wieder gewachsen, Daisy ist gerade unsichtbar.
Matya, viel zu dick, mit verfilztem Pelz, ewig entzündeten Augen und verstopften Tränenkanälen liegt im Schatten. Ich hoffe, ich finde irgendwann mal Zeit, mich mehr um sie zu kümmern. Aber vielleicht findet sich ja auch jemand, der ihr ein Zuhause geben möchte. …
Leider immer noch an Ketten leben Rex, Töke, Nero, Alexa und Max. Letzterer hat allerdings nachts Freilauf als Wachhund. Der alte Rex hat stark abgebaut, er ist ziemlich blind und taub und reagiert schnell aggressiv. Ich bin mir sicher, dass er starke Schmerzen hat, und habe ihm 100 Rimadyl-Tabletten mitgebracht. Levente soll ihm täglich eine davon geben. Ich hoffe, dass es ihm hilft.
Meine ganz “besondere” Orias und Serves, die Chefin im ersten Zwinger sind auch viel zu moppelig. Sakka, die längst schon tot Gesagte, lebt immer noch fröhlich, auch Barney, Moni und Picuri geht’s prima.
Im nächsten Zwinger sind Carina, Jenny, Penny, Sissi und Jim. Fellino durfte vor zwei Monaten ausreisen und hat nun seine Familie gefunden. Arva, Mary-Ann, Mary-Jane, Wasja, Amira, Aladin und eine neue kleine Hündin teilen sich den nächsten Zwinger. Bei Mary-Ann ist ein Knoten geplatzt, sie will bei Menschen sein, Arva ist kaum zu bremsen, aber – oh wunder – auch Wasja und Mary-Jane tauen langsam auf. Sie suchen die Nähe, sind neugierig; ich weiss, damit ist ein Zustand erreicht, an dem man anknüpfen kann. Amira ist ein wenig vorsichtig, nur Aladin ist scheu, er will nichts mit uns Menschen zu tun haben. Er liegt im Schatten und weicht mir aus. Gefällt mir gar nicht.
Dann geht’s zu den Freukeksen: Neona, Nanuk, eine klitzekleine neue Hündin, Snowwhite, Perecs, Sunny, Merlin, und viele viele andere….
Gabriel ist sehr abweisend, will nichts mit uns zu tun haben, auch Dorian nicht, Bella ist freundlich reserviert, doch sie strahlt, wenn man sich um sie kümmert. Kolya sieht klasse aus, steht auf der Hütte und freut sich …
Vor zwei Monaten hatten wir ihn mitsamt der Tapsi-Gang (+Tyler, Tyson und Kaya) aus einem zwar überdachten, aber viel zu engen Zwinger hierhin ins Freie gesetzt mit wesentlich mehr Bewegungsraum (aber immer noch zu wenig für 5 große Hunde). Es ist ihnen sehr gut bekommen. Der Rottweiler Lord sitzt allein in einem kleinen Zwinger, aber darf nachts raus zum Wache schieben. Dies ist für mich nur ein halber Trost, denn ich finde, er sieht traurig aus.
Gegenüber ist der Junghundezwinger, aus meiner Sicht sind da viel zu viele Hunde auf viel zu engem Raum, und das Ganze ist ein Pulverfass, hier ist schon die kleine Delilah tot gebissen worden. Bully ist ein wilder Riese geworden.
Bocs ist auch schon groß, ebenso Effi black nose (ihre Schwester Effi red nose ist auf einer Pflegestelle und hat schwere HD), Donovan ist ein toller Rüde geworden, Dorié ist etwas schüchtern und sitzt mal wieder neben ihrem Freund Dandy. Dandy bewegt sich nur sehr wenig, erst später wird mir klar warum: auch er hat schwerste Schädigungen im Bereich der Hüfte und der Hinterläufe, er eiert regelrecht und hat dort kaum noch Muskulatur. Sieht das denn hier niemand, oder will man das nicht sehen????
Seine kleinere Schwester (ich vermute das mal, weil sie ihm so ähnlich sieht) Danida hat einen schiefen Vorderlauf, so als sei er mal gebrochen gewesen und schief zusammengewachsen. Sie kann ihn überhaupt nicht benutzen.
Auch Effi, die zwar wild herumspringt und vor Freude tanzt werde ich mir genauer ansehen müssen. Duffy it etwas zurückhaltend, Dusty und Dunya verschwinden von der Bildfläche, wenn man sie nur anschauen will. Ich bleibe bei meiner Meinung: ein Pulverfass.
Bricht hier ein Streit aus, kann das heftig werden. 8 – 12 Monate junge Hunde brauchen Auslauf, und nicht nur Futter. Es könnte so einfach sein, wenn sich Levente und Agota nicht so dagegen sperren würden, die Hunde wenigstens einmal am Tag kontrolliert laufen zu lassen. Hier muss ein Auslaufmanagement her! Sonst ist das eher Tierquälerei.
Den überdachten Bereich mag ich nicht so sehr, die Zwinger sind zu eng und zu voll. Eine nächste Aktion muss sein die vier großen Rüden der Mokan-Gang in einen Aussenzwinger zu setzen. (Sie haben den unschönen Beinamen “Killerdogs”, weil sie für den Tod von Djina, den abgebissenen Schwanz von Roxy und Vuks getackertem Ohr mitverantwortlich sind. Sind sie deshalb auch gleich schuldig? Wahrscheinlich nicht, sie haben sich schließlich nicht selber dort eingesperrt, sondern kamen als Welpen in den Zwinger und sind halt dort geblieben. Einzig Mokans Schwester Mokana durfte vor kurzem in eine andere Box umziehen. Die Rüden sind nicht ängstlich, sondern lassen sich gerne kraulen, springen mich freudig an, und obwohl ich diese Hunde aus irgendeinem Grund nicht gerne im Rücken habe, bleibe ich im Zwinger, um sie zu beobachten. Heute wirkt alles so friedlich dort. Ich denke, sie sind viel netter als ihr Ruf, nur die Situation, in der sie – unfreiwillig – leben, macht sie manchmal aggressiv.
Neben ihnen – inzwischen ist der Zaun sicher abgedichtet – treffe ich Cosie, Lupi, Scarlett, Butterfly und einen kleinen angeblich bissigen Rüden Morszi, der noch ein Halsband von seinem ehemaligen Besitzer trägt. Er wurde hier abgeben, als sein Mensch verstarb. Der kleibn Rüde hatte an einer Kette gelebt. Alle Hunde sind freundlich und zutraulich.
Icy im Nebenzwinger, ebenso wie Yellow und Indiana haben sich gut erholt, nur die neu hinzugekommene Brownie, die im Winter mit drei Welpen irgendwo auf der Straße gefunden wurde, ist sehr sehr unzufrieden und bellt ihr Elend in die Welt hinaus. Vielleicht tut ihr etwas weh. Ihre beiden überlebenden Welpen Bailey und Bea sind mit Sheela, Skady und Kivli im Welpenzwinger untergebracht.
Razka, den ich vor einem knappen Jahr mal mit Schere und Bürsten behandelt hatte, sieht inzwischen noch schlimmer aus, er ist unbeweglich fett und zudem verfilzt ohne Ende. Er stinkt, aber niemand kümmert sich drum. Ihm müsste man mit einer Schermaschine zu Leibe rücken, alles andere hat keinen Sinn mehr. Diesmal werde ich keine Zeit für ihn haben.
Auch nicht für Anjali, die traurig auf der Hütte sitzt, Blackie, die jeden Millimeter Mensch genießt, ebenso wie Tigris, Tappancs, Lisa, Hogoyo, Zuki, Dalma und viele andere. Nur einmal überall reingehen und begrüßen, etwas Abwechslung in den immer gleichen Tagesablauf bringen …