4. Besuch im Tierheim in Gheorgheni

Freitag 8. Februar 2013

Wir sind wieder früh in Richtung Tierheim unterwegs, es sind nur 10 Minuten Fußweg vom Hotel aus. Unterwegs begegnen uns Straßenhunde. Jemand hat eine Mülltüte an den Straßenrand gestellt, das ist natürlich ein gefundenes Fressen, im wahrsten Sinne des Wortes. Mehrere Hund machen sich daran zu schaffen, doch sie sind scheu und verkrümeln sich, als wir kommen. Nur diese kleine Hündin ist etwas zutraulicher, aber anfassen würde ganz sicher nicht gehen. Sie gefällt mir.

Wir legen ihr noch etwas Hundefutter dazu. Sie ist so dünn.

Es ist immer eine blöde Situation: Die Leute stellen ihren Müll in Säcken an den Straßenrand, für die Müllabfuhr. Eigentlich müssten sie es doch wissen, dass das die Hunde anlockt. …. Die Hunde rennen dann natürlich kopflos über die vielbefahrene Straße und nicht wenige enden im Straßengraben, wie dieses Tier, dass der Neuschnee gnädig zudeckt.

Ein entsprechend großer Hund kann auch durchaus einen schwereren Verkehrsunfall verursachen, daher müssen die Hunde von der Hauptstraße weg. Ist eine logische Folgerung, aber nicht weit genug gedacht. Finde ich.

Nun, mit genau diesem Thema werden wir uns heute ausgiebigst beschäftigen müssen.

Auf dem Weg zum Tierheim folgt uns schwanzwedelnd eine schwarze Labradormix-Hündin, sie trägt eine rosa Ohrmarke, und ich bin mir sicher, dass ich sie wiedererkenne. Im Oktober hatten wir sie vor dem nahen Baumarkt aufgelesen und von Nina kastrieren lassen. Sie hatte 6 Welpen im Bauch. Einen ganzen Tag ist sie bei uns geblieben, hat noch etwas Futter bekommen und ist dann in der Dunkelheit der Nacht verschwunden. Ich nenne sie Lucky, Monika hat noch ein Butterbrot, dass sie ihr gibt, und ich habe noch ein paar Leckerchen in der Tasche. Sie folgt uns bis ans Tor, aber dann verschwindet sie wieder irgendwo hin.

Agota kennt die Hündin auch und weiss, dass sie sich oft auf dem Hof einer Firma füttern lässt.

Für unsere Welpen und Junghunde gibt es heute neue Decken und Spielzeug.

Etwas Abwechslung im grauen Tierheim-Alltag. Einen herzlichen Dank dafür an die vielen netten SpenderInnen und an Gaby K., die die Sachen nach Rumänien gebracht hat. Die Hunde hatten viel Spaß damit.

Silky
Fairy
Renardo, Ida und ein noch namenloser Welpe begutachten eine Decke auf Hundeart

Tökmag und Harapos

Auch Kettenhunde freuen sich über Spielzeug: Teke hat sich die Tüte geklaut und sucht sich was aus, Kong im Hintergrund versucht etwas davon durch die Gitterstäbe zu ziehen.

Ganz tief unten in der Tüte hat Teke einen Kauknochen gefunden: Himmlisch!!!!!!!!

Um 15.00 Uhr treffen wir uns in einem Café gemeinsam mit Claudiu Dumitriu, er ist Jurist und Tierschutzrechtler und hat zusammen mit einem Compagnon den Verein „Allianz gegen Missbrauch” gegründet. Das ist der rumänische Partnerverein vom Bund gegen Missbrauch der Tiere e. V. (bmt) und TASSO. Hier möchte ich mich ganz herzlich bei Petra Zipp, der Vorsitzenden des BMT bedanken, die uns diesen wertvollen Kontakt vermittelt hat. Claudiu kennt die Machenschaften die Hundefängerszene Rumäniens (oder auch Hundemafia genannt) und deren Auswüchse wie sonst kaum jemand. Er kämpft seit Jahren gegen Flavius Barbulescu, unterstützt das städt. Auffanglager Stupin bei Brasov, damit die dort vegetierenden Hunde zumindest Futter und Wasser bekommen, und kämpft mit allen juristischen Mitteln für Verbesserungen für die Straßenhunde in Rumänien.

Wir bemerken sehr schnell, dass unsere Ideen und Planungen völlig miteinander übereinstimmen, und sind sehr froh, dass Claudiu bei dem Gespräch mit dem Bürgermeister von Gheorgheni dabei ist. Er spricht Rumänisch, Ungarisch, Deutsch und Englisch und ist somit auch der ideale Dolmetscher. Die Athmosphäre ist kühl-nervös und distanziert. Herr Mezai Janos sitzt hinter seinem Bürgermeisterschreibtisch, wir (Caludiu, Monika, Agota, Marta, Vili und ich) an einem Tisch. Wir versuchen, uns nicht wie Bittsteller zu fühlen, sondern uns als Partner vorzustellen, die ja auch etwas anzubieten haben, u.a. haben wir ja Seit Juni 2012 fast doppelt soviel Geld in das Tierheim investiert, unter Einbeziehung örtlicher Bau- und Futterfirmen, als er in einem ganzen Jahr. Und sind bereit noch mehr zu geben.

Der Bürgermeister stellt zuerst seine Sicht der Dinge dar. (Hier ein Auszug aus dem Protokoll, das Monika geschrieben hat.)

Neben den derzeit durchschnittlich 200 Hunden in den beiden Tierheimen GATE (Agota und Levente circa 170-180 Hunde und GABRIELLA SZABO (zwischen 25-35 Hunde) laufen noch geschätzt etwa 120 Straßenhunde frei in der Stadt Gheorgheni herum. Diese Straßenhunde werden von den Bürgern als lästig und zum Teil bedrohlich angesehen. Beim Bürgermeister gehen regelmäßig Beschwerden ein. Es ist auch schon zu einzelnen Zwischenfällen gekommen. Die Möglichkeiten der beiden vorhandenen Tierheime, alle Straßenhunde einzufangen und aufzunehmen, reichen aus der Sicht des Bürgermeisters und des Stadtrates zur Aufnahme aller noch frei laufenden Straßenhunde nicht aus.

Beschlüsse des Stadtrates von Gheorgheni und Erläuterungen des Bürgermeisters

  1. Der Stadtrat hat deshalb beschlossen, den Vertrag mit GATE zur Aufnahme der Straßenhunde über den 31.12.2012 hinaus nicht zu verlängern und eine andere Lösung zu finden.
  2. Die Stadt Georgheni stellt ein größeres Areal und die dazu gehörende Infrastruktur (Installation von Strom, Wasser/Abwasser, Müllentsorgung) zur Verfügung. Die bisher von GATE und Szabo Gabriella genutzten Tierheimflächen werden in das zukünftige Tierheimgelände mit einbezogen.
  3. Die Flächen werden für den Aufbau von Zwingern/Hundehütten vorbereitet (betoniert). Die auf dem jetzt von GATE genutzten Gelände stehenden Zwinger, die von der Stadt Georgheni errichtet worden sind, bleiben im Besitz der Stadt und sollen von dem zukünftigen städtischen Tierheim genutzt werden. Die übrigen Zwinger/Hundehütten können von den Vereinen auf ihren zukünftigen Platz mitgenommen werden.
  4. Die Stadt Georgheni erstellt eine Veterinärstation und richtet diese ein. Weiter übernimmt sie die Kosten für die notwendige tierärztliche Versorgung der Hunde.
  5. Auf dem Gelände sollen nebeneinander ein städtisches Tierheim, das der Kontrolle der Stadt unterliegt, und von Vereinen (wie GATE) oder privat betriebene Tierheime betrieben werden. Die von Vereinen oder privat betriebenen Tierheime dürfen das Gelände kostenfrei belegen und Infrastruktur und die tierärztliche Versorgung (zur notwendigen Versorgung der Hunde) auf dem Gelände nutzen.
  6. Die Vereine betreuen auch zukünftig die Hunde, die sich in ihrer Obhut befinden. Sie, wie auch Privatpersonen können sich aus den zukünftig eingefangenen Straßenhunden weitere Tiere zur Betreuung und Vermittlung aussuchen. Die Hunde, die nicht von den Vereinen oder privat übernommen werden (können), werden im städtischen Tierheim untergebracht.
  7. Die Tiere sollen in allen Tierheimen und von Privatpersonen auf dem Gelände nach einheitlichen Mindeststandards betreut und versorgt werden. Wenn Vereine oder Privatpersonen mehr machen wollen, müssen sie die Kosten dafür selbst tragen.
  8. Die Stadt Gheorgheni übernimmt zukünftig (ab Abschluss der Vorbereitung des Geländes und provisorischem Betreiben des städtischen Tierheims voraussichtlich ab Mai/ Juni 2013) die Kosten für die Kastration, Grundimmunisierung (wesentliche Impfungen) und das Chippen der Straßenhunde in den Tierheimen und für Privathunde in Georgheni. Mit einer endgültigen Fertigstellung kann nach Einschätzung des Bürgermeisters erst im nächsten Jahr gerechnet werden. 
  9. Es soll zukünftig auch für private Hundebesitzer verpflichtend sein, ihre Hunde kastrieren und chippen zu lassen. Alle gechippten Hunde sollen in einer Datenbank erfasst werden.
  10. Die Stadt wird die entstehenden Kosten über eine Art „Hundeproblemsteuer“ finanzieren, die von allen Bürgern Gheorghenis erhoben werden soll. Die genaue Höhe muss der Stadtrat noch beschließen (eventuell 1 Euro pro Einwohner pro Jahr = etwa 20.000 Euro). Ein Problem für Investitionen wird möglicherweise das begrenzte kommunale Budget sein.
  11. Die Stadt Gheorgheni wird die Vereine nicht weiter finanziell unterstützen. Diese müssen sich zukünftig über Sponsoren selbst tragen.

Das sind die simplen Fakten, die sich erstmal gar nicht so schlecht anhören. Nur leider ist die Vorstellung sehr unrealistisch, dass es möglich ist, die Stadt hundefrei zu bekommen, ohne die Mithilfe der Hunde selbst.

Mehrfach erklären wir, wie wichtig es ist, dass freundliche, gesunde und kastrierte Hunde in der Stadt frei laufen dürfen, um die Stadt gegen Zuzügler aus der Umgebung zu verteidigen und die Ressourcen wie Futterplätze (Müllcontainer, Müllsäcke, siehe oben) und Unterschlüpfe zu besetzen. Selbst, wenn die Hunde nicht so schnell von alleine kämen, der Hundetourismus der Hundefänger würden das schon ändern. Claudiu erklärt uns das: Hundefänger leben davon, dass sie Hunde einfangen und “irgendwas” mit ihnen machen. Die Gemeinden fragen im Allgemeinen nicht nach, was mit den Tieren geschieht. Sie werden entweder getötet oder mit Autos in eine andere rumänische Stadt gebracht, die dann plötzlich viele neue Hunde in der Stadt hat und die Hundefänger engagiert. …. Dass das nicht gerade im Sinne des Tierschutzes ist, versteht sich von selbst, nach den Hunden, die dabei zugrunde gehen, kräht eh’ kein Hahn.

Wir stellen noch zahlreiche Fragen zu den Vorgehensweisen beim Einfangen der Tiere, die zwar beantwortet werden, aber letztendlich bleibt bei uns ein gewisse Ratlosigkeit zurück. Ausserdem schlagen wir Projekte vor, um den Bürgern von Gheorgheni die Wichtigkeit der Kastration auch von Privattieren zu verdeutlichen, den Umgang mit Straßentieren und allgemein das Verhalten und die tierschutzgerechte Haltung von Hunden nahezubringen.

Sehr bedenklich finden wir die Tatsache, dass der Bürgermeister die Vereine nicht mehr finanziell unterstützt und dass es zur Zeit keinerlei Verträge gibt. GATE befindet sich also in einem rechtsfreien Raum und könnte theoretisch jederzeit aufgefordert werden, das Gelände zu verlassen. Agota und Levente haben riesige Angst, dass genau so etwas geschehen könnte, und ihre Hunde getötet werden, zumal Gerüchte kursieren, dass irgendwer nachts heimlich in der Stadt Hunde einfängt und “verschwinden” lässt. Ich selber glaube das jetzt gerade nicht, oder vielleicht will ich es auch nicht glauben.

Nun haben wir zwar viele mündliche Zusagen, aber nichts in der Hand.

Für den darauf folgenden Sonntag morgen haben wir den Bürgermeister eingeladen, doch mal zum Tierheim zu kommen, was er sogar zusagt. Pünktlich um 9.30 – vor dem Sonntagsgottesdienst – kommt er mit seinem kleinen Allradfahrzeug in Sonntagskleidung.

Nein, er möchte natürlich nicht ins Tierheim, aber vor dem Tor erläutert er uns, welche Flächen zur Verfügung stehen werden, wobei uns eins ganz deutlich klar wird, er möchte weder mit dem Verein GATE noch mit Gabriella weiterhin Kontakt haben. Er wird sein Ding machen, Beratung von uns (Karpatenstreuner) bei Bedarf gerne annehmen, aber Partnerschaft – nein.

Die Fronten zwischen ihm und den Tierschützern von Gheorgheni sind verhärtet, er hat es drei Jahre versucht, und es sind immer noch Straßenhunde in seiner Stadt. Dabei steht es in keinem Vertrag, dass es Aufgabe von GATE ist ALLE Hunde zu entfernen.

Ich habe die Erlaubnis, dieses Foto auf unsere HP zu stellen:

von links nach rechts: Kemenes Levente, Ingrid Weidig, Jakab Agota, BM Mezai Janos, Monika Redel.

23.30 Uhr

Endlich liegt dieser Tag hinter uns! Mit einer Tasse Tee liege ich nun endlich im Bett und höre die Hunde von Gheorgheni bellen. Der Nachtzug von Bukarest nach Oradea ist gerade durchgefahren. Seit drei Uhr haben sich die Gedanken nur um das Tierheim und die Strassenhunde gedreht. Jetzt ist es hier halb zwölf und es fällt mir sehr schwer, ein Resümmee zu ziehen. …. Die Situation ist weder gut noch schlecht. Wahrscheinlich machen wir erstmal weiter wie geplant mit der nächsten Kastraaktion vom 27.April – 1. Mai. Noch glauben wir nicht daran, dass diese Pläne so schnell umgesetzt werden können, totzdem sind wir sehr wachsam, Agota und Levente sind ja täglich vor Ort und werden berichten. Abends haben wir noch lange zusammengesessen und überlegt, welche Alternativen möglich sind, doch irgendwann drehte sich im Kopf alles nur noch im Kreis. – und das hatte nichts mit dem Wein zu tun.

Wir werden auf jeden Fall für unsere wunderbaren Hunde kämpfen. Die sind jetzt übrigens schlafen gegangen, und ich bin auch hundemüde. Euch allen herzlichen Dank fürs Daumen drücken!